Zur Situation indigener Frauen* und Senior*innen in Oaxaca

Wandbild San Lorenzo Cacaotepec – Ausschnitt

Im mexikanischen Bundessaat Oaxaca gehört ein Großteil der Bevölkerung einer indigenen Gruppe an. Viele Gemeinden praktizieren das traditionelle indigene Regierungssystem der “usos y costumbres” (Traditionen und Gebräuche). Das bedeutet, dass die Angelegenheiten der Gemeinde basisdemokratisch in der Gemeindeversammlung (asamblea) diskutiert und beschlossen werden. Alle Gemeindemitglieder sollten rotierend (z.B. für ein oder zwei Jahre) bestimmte öffentliche Ämter und Aufgaben übernehmen. Diese Ämter/Aufgaben sind z.B.: Bürgermeister*in, Schatzmeister*in, Mitarbeit in der Reparatur von Straßen, im Schulbau, im Gemeindeorchester, Organisation des Dorffestes etc. Hierfür stellen sie sich zur Wahl und werden dann (evtl.) in der „asamblea“  gewählt. Sie erhalten nur in Ausnahmefällen eine Aufwandsentschädigung für ihr Amt, d.h. sie erbringen in der Regel ein ehrenamtliches Engagement.

In den Gemeinden wird die Haus-, Sorge- und Pflege-Arbeit – abgesehen von wenigen Ausnahmen – weiterhin den Frauen* zugeschrieben. Zwar haben die Frauen* in den Gemeindeversammlungen auch Rede- und Stimmrecht. Jedoch sind die Fälle, in denen sie in politische Ämter gewählt werden, sehr rar. Wenn sie Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, sind diese meist auf Reinigungs- oder andere “typische Frauenarbeiten” beschränkt. Oft kommt es vor, dass die Frauen* in der „asamblea“ sogar die Mehrheit stellen, weil viele Männer zum Arbeiten in die USA migriert sind (wo sie in der Regel ohne Aufenthaltsstatus leben).  Nichtsdestotrotz hat ihr Wort in der Versammlung meist nicht dasselbe Gewicht wie das der Männer und sie beteiligen sich vor allem dann an den Abstimmungen, wenn sie ihre abwesenden Ehemänner vertreten. Oft sind sie zu unsicher oder zu schüchtern, um sich an den Diskussionen zu beteiligen.

Über die Wandbilder sollen die Frauen* und Mädchen zu mehr Partizipation ermutigt werden, indem die Beteiligung und der Beitrag ihrer Vorgänger*innen sichtbar gemacht wird.  Im Wandbild von Santa Cruz findet sich z.B. das Porträt einer Frau*, die sich in den 1950er Jahren für eine öffentliche Schulspeisung eingesetzt hat. Dazu hat sie mehrfach den dreistündigen Fußweg vom Dorf in die Bundeshauptstadt auf sich genommen, um bei den Behörden die Freigabe der Gelder zu beantragen. Sie war mit ihrem Engagement erfolgreich und wird dafür jetzt im Wandbild gewürdigt. Hier spiegelt sich die Idee des Projekts, die Erinnerung an diese aktiven Frauen* lebendig zu halten, damit die junge Generation sie sich zum Vorbild nehmen kann.

Bisher konnten drei Wandbilder in Gemeinden realisiert werden, die sich nach “usos y costumbres” regieren: in San Lorenzo Cacaotepec Etla, Santa Cruz Etla und San Pablo Etla.